Explorationstauchgang im Großen Wendenloch

Im März 2001 traf ich mich mit meinem Freund Ulrich Meyer zu einem interessanten Projekt. Es sollte um die Fortsetzung der inīs Stocken geratenen Erforschung des Großen Wendenlochs, einer Höhle nahe Salzburg, gehen. Die Höhle ist zur Wasserversorgung mehrerer Bauernhöfe gefasst und wir hatten ausschließlich für dieses Wochenende eine Genehmigung!
Freitag Abend fuhr ich nach München, von wo aus wir dann gemeinsam am Samstag Morgen nach Österreich aufbrachen.
Nach knapp 2h erreichten wir unsere Übernachtungsmöglichkeit am Lamprechtsofen. Kurz alles Unnötige ausgeladen, dann weiter zur Höhle. Das Wetter meinte es gut mit uns. Zeitweise war es recht sonnig mit Temp. um die 6°C.
Mein Auto stellten wir an einem Gasthaus ab. Das Equipment wurde ausgeladen und kurz darauf machten wir uns auf den Fußmarsch.

Das schwerste Stück Arbeit stellte gleich der Aufstieg zu unserem Ziel dar. 140 Höhenmeter waren zu bewältigen auf einem sehr steilen, schneebedeckten Hang. Jeder hatte ca. 30kg an Ausrüstung zu tragen. Ulrich lief mit Schneeschuhen voraus und ebnete mir den Weg ein wenig. Nach gut einer Stunde erreichten wir völlig schweißgebadet den Eingang. Er ist sehr beeindruckend aufgrund seiner Größe!


Nach einer kurzen Erholungspause wurde das Tauchzeug zusammengeschraubt und nochmals die nächsten abzuarbeitenden Punkte besprochen. Während ich den Tauchgang mache, will Ulrich den vorderen halbtrockenen Höhlenteil vorm Siphon vermessen. Ich ziehe mich um und lege die Flaschen an.
Mein Equipment sieht wie folgt aus: Trockentauchanzug, Sidemountgestell, 2 Flaschen a 7-l, Flossen, 2 Reels und 9,5kg Blei. Das Wasser, welches aus dem Eingang strömt, sieht sehr klar aus. Ich rechne mit 5m Sicht. In voller Montur geht es nun ein kurzes Stück kletternd zum Rand des Siphonseeīs. Über die Kante hinein und ca. 12m watend bis zum Beginn von S1.

Die Leine wird an einem Fels festgebunden und der Tauchgang beginnt. Beim Abtauchen stelle ich erfreut fest, daß meine Sichterwartungen noch um Einiges übertroffen werden. Das Wasser bietet mir 10 - 12m! Das Gangprofil ist auf den ersten 20 Metern stark nach links abgeschrägt (ähnlich dem Eingangsbereich des Mauslochīs), wunderschön glatt ausgewaschen und sehr bequem zu durchqueren. Gangbreite: 80 - 100cm; Höhe: 1,3 - 1,5m.
An der tiefsten Stelle (-8m) nach gut 25m ändert sich der Gang zu einem Dreiecksprofil und wird etwas geräumiger. Auf dem Boden finden sich nun mehrere größere Gesteinsbrocken. Während des Leineverlegens beobachte ich große Sedimentwolken, die sich durch meine Ausatemluft langsam u. bedrohlich von der Decke nach unten bewegen. Also stell ich mich schon mal auf eingeschränkte Sichtbedingungen auf dem Rückweg ein.



Hinter dem tiefsten Punkt steigt der Gang schnell wieder an und endet nach 42m in einem kleinen, halb mit Wasser gefüllten Raum. Am Ende dieser Kammer, die 1,50 - 3m hoch ist, entdecke ich den von Franzjoerg Krieg beschriebenen wassergefüllten Schacht, den er im Jahre 1978 aufgrund eines technischen Defektes an seiner Ausrüstung nicht weiter erforschen konnte.
Ich ziehe die Flossen aus, klettere über den letzten Felsbrocken und lasse mich, in einer Hand das Reel, in der anderen die Flossen, inīs Wasser gleiten. Hier beginnt nun der aufregendere Teil.
Ich stoße jetzt in einen Teil der Höhle vor, den unseres Wissens nach noch kein Mensch zuvor betreten hat. Flossen an, Leine fixiert und los gehtīs auch schon. Deutlich ist zu erkennen, daß sich der Schacht entlang einer Kluft gebildet haben muß. Im oberen Bereich ist er 50 - 70cm breit und ca.3 - 4m lang. Er führt fast senkrecht mit einer leichten Linkstendenz nach unten. Mein Abtauchen erfolgt sehr langsam, da ich ab und zu geeignete Befestigungspunkte für meine Leine benötige. In 18m Tiefe entdecke ich rechter Hand eine Art Nadelöhr, durch das bequem mein Reel paßt. Jedesmal, wenn ich meinen Abstieg kurz unterbreche, holt mich losgelöstes Sediment ein. Etwas tiefer wird der Spalt ein wenig breiter. Auf den nächsten Metern mache ich mir langsam Gedanken über die Tiefe dieses Schachtes und wann ich möglicherweise abbrechen muß. Aber dann entdecke ich im Strahl meiner Lampe etwas, das wie ein Boden aussieht. Die letzten Meter sinke ich hinab und überprüfe zuerst meinen Tiefenmesser. Er zeigt fast 26m an! Zunächst einmal wickle ich den Ariadne-Faden um einen Gesteinsbrocken am Boden. Dann widme ich mich dem weiterführenden Gang, der schon kurz in meinem Blickfeld erschienen war.

Er beginnt mit einer Mulde (-27,5m) und steigt dann ganz langsam wieder an, weiter in Richtung Norden führend,so wie schon der erste Höhlenteil. Die Passage ist 60 - 80cm hoch und gut 1m breit. Also recht bequem betauchbar. Ich tauche noch 5 - 6m hinein,entschließe mich aber dann umzudrehen, da aufgrund des langsamen Leineverlegens das erste Drittel meines Atemgasvorrates langsam zur Neige geht. Also Leine gekappt und langsam zurück in den Schacht.
Als erstes kommt mir eine starke Sedimentwolke entgegen und ab da muß ich mich mit max.50cm Sicht begnügen. Das stört mich aber nicht weiter, da die Leine in der rechten Hand und mein Gasvorrat mir ein beruhigendes Gefühl geben. Nach mehreren Minuten plus Sicherheitsstops erreiche ich die Wasseroberfläche und klettere langsam hinaus. Ich lehne mich kurz an den Fels und lasse ein paar Gedanken an dem eben Erlebten zu. Dann gehtīs weiter zurück durch S1, in dem die Sicht kaum mehr 1m beträgt. Alle 5m peile ich noch kurz die Gangrichtung an, um später einen detaillierten Plan zeichnen zu können.



Plan des Wendenlochs
-linker oberer Teil: Draufsicht
-rechter unterer Teil: Seitenansicht


Nach 68min. hat mich die Erde zurück und Ulrich wartet auch schon ziemlich ungeduldig, was ich Neues zu berichten habe. Ich erzähle ihm von meinen Erlebnissen und freudestrahlend waten wir zurück zum Ausgang. Blei und 1 Flasche (da noch fast voll) deponieren wir in einer Spalte. Dann gehtīs leichten Fußes wieder hinab inīs Tal.



Am Sonntag ist das Wetter nicht mehr so prickelnd. Je näher wir der Höhle kommen, desto mehr regnet es. Der Aufstieg dauert dann aber bei weitem nicht so lang wie am Vortag, da kein Blei und nur eine volle Flasche nach oben müssen. Heut habe ich eine Unterwasserkamera dabei, um vom hinteren Teil ein paar hoffentlich gute Schnappschüsse machen zu können. Ich tauche ab. Die Sicht ist leider vom Vortag etwas eingetrübt. Nebenbei Fotos knipsend, bin ich relativ schnell durch S1 und dann am Schacht. Fix hinein und hinab, weiter ständig den Auslöser drückend. Unten angekommen mache ich zuerst ein paar Fotos vom weiterführenden Gang, um die noch gute Sicht auszunutzen.
Dann lege ich die Kamera beiseite und verbinde Leinen- u. Reelende miteinander. Vorsichtig tauche ich nun erneut in die Passage ein und folge ihr gut 20m. Die tiefste Stelle mit 27,5m liegt gleich am Anfang in der beschriebenen Mulde. Das Gangprofil bleibt relativ gleich. Auf dem Boden liegt etwas Geröll. Die Einsiltung ist aber nur mäßig im Vergleich zum Schacht. Da wir uns entschlossen haben, nichts in der Höhle zurückzulassen und das Aufwickeln der Leine etwas Zeit in Anspruch nehmen wird, drehe ich um in der Hoffnung, irgendwann einmal hierher zurückkehren zu können, um dann vielleicht herauszufinden, wo und ob dieser Gang endet. Nach etwa 80min. bin ich zurück.

Wir verstauen alle Sachen in unseren Schleifsäcken und verlassen schweren Herzens diesen wunderschönen Ort.



06.03.2001