Mexico 2002



Nun sollte er also wahr werden, mein großer Traum, endlich einmal im faszinierendsten Höhlentauchgebiet der Welt zugegen zu sein!
In den letzten 3 Jahren habe ich mich immer davor gescheut, dort runterzufliegen, da klar ist, daß es ein ziemlich teurer Spaß werden würde. Nun war aber der Tag gekommen, diese Befürchtungen von sich zu schieben, und das aus gleich mehreren Gründen.
Zum einen ist Mexico ja nun mal unbestritten das Höhlentauchmekka schlechthin auf diesem Planeten, zum anderen wollte ich endlich meinen Full Cave Kurs nachholen, also warum nicht gleich unter besten Bedingungen?!
Der Flieger ging um 7.25Uhr. Knapp 2h bis London, von da weiter nach Miami. Dort nach ca. 12h angekommen, mußten wir uns durch die Immigration-Zone kämpfen. Wir hatten dazu 1h40min. Nach Ablauf der Zeit mußten wir leider feststellen, daß sie nicht gereicht hatte, unseren Anschlußflieger zu bekommen. Hauptmankos waren, daß seit dem 11.Sep. kein Durchchecken des Gepäcks mehr möglich ist, an unserm Eincheckgate keine Gepäckaufnahme vorhanden war u. die Amis bei der Abfertigung in der Immigration-Zone eine Arschruhe weghatten!!!;-(((
Das hatte eine Übernachtung in Miami zur Folge. Egal. War dann sogar noch recht lustig. Gutes Hotel mit Abendbrot, Frühstück (alles von American Airlines gesponsort(außer alkohol. Getränken; shit...)) und Shuttle. Am Morgen darauf gingīs um 11Uhr weiter nach Cancun. Glücklicherweise wartete dort ein Taxi auf uns (Gunnar hatte mitgedacht) u. so waren die letzten 1 1/2h Fahrt ein Klacks.

Unsere Basis sollte das Aktun Dive Center von Gunnar Wagner in Tulum sein. Er bildet seine Schüler wahlweise auf deutsch, englisch o. spanisch nach NACD u. IANTD aus! An Gasen stehen neben Luft auch Nitrox sowie Sauerstoff zur Verfügung!
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Abends gleich noch ein Checktauchgang in der Cenote Calavera (leider nur im Cavernbereich, da ich ja eigentlich keine Ausbildung hatte). Der Eingang ist cool! Ein Deckeneinbruch von 6m Durchmesser und 3m Tiefe. Da hüpft man dann einfach rein. Die Sicht war nicht so prall, da wohl zuvor noch jemand drin rumgeturnt war. Die Temp. in allen Höhlen liegt je nach Süss-oder Salzwasser zwischen 23 u. 26°C.

Gunnar hatte leider gesundheitliche Probleme, sodaß mein Kurs erstmal mit 1 Tag Theorie begann. Sehr ärgerlich, denn ich konnte es gar nicht erwarten, in die Höhlen zu kommen, aber muß halt auch erledigt werden. Bis auf 2 TG sollte der komplette Kurs von Ben Cook (Bildmitte), einem supernetten Engländer von den Bahamas, abgehalten werden. In den gesamten drei Wochen hatte der Mann keine Minute schlechte Laune!

Zum Kurs gehörten 15 Cavetauchgänge u. ein OWtg.! Am 2. Tag gingīs nach Carwash, wo Ben im Astgewirr vorīm Eingang einen wahren Leinenwirrwarrkurs zauberte, an dem erst allein ohne Maske, dann zu zweit(Tauchpartner war ein Sachse namens Heiko,der mit mir den Full Cave machte) mit geschlossenen Augen entlanggetaucht wurde, wobei jeweils einer am langen Schlauch des anderen vorantauchte. War sehr interessant!
Es folgten 1 Tg upstream zum Eingewöhnen, dann einer downstream (bei Umkehrpunkt zurück mit Backuplight).
3.Tag: Wieder Carwash Downstream 20min. rein, bei Umkehr Out of Air meines Tauchpartners u. totaler Lichtausfall; zurück an Leine! Dasselbe dann nochmal andersherum.

Nachmittags zur Calavera, um einen Circle in 2TG zu tauchen. Die Höhle offenbart ihr wahres Gesicht erst gut 50m hinter dem Eingang mit unglaublicher Sicht, schneeweißen, völlig zerfressenen Wänden u. einer grandiosen Halocline (Trennlinie zwischen Süss- u. Salzwasser).
4.Tag: Die 2 einzigen TG mit Gunnar. Beim ersten war Leinensuche mit Safetyspool ohne Licht angesagt. Ich brauchte knapp 10min., was aber im Rahmen lag. Den 2.TG machten wir upstream in die Cenote Escondido. Sehr entspannt, bis nach 20min. plötzlich Gunnar mit einem abströmenden Automaten angerast kam. Also gab ich ihm meinen langen Schlauch u. wir traten schleunigst den Rückweg an. Ebenfalls eine interessante Lektion.
5.Tag: Es ging zur Grand Cenote (Sac Aktun). Wie der Name schon verrät, eine gewaltige Höhle. Den Eingang bildet ein großer, 30m langer u. 15m breiter Deckeneinbruch, in den man per Treppe hinab zum Wasser steigen kann. Glasklares, grünliches Wasser mit vielen Fischen darin. Im System tauchten wir einen großen Circle in 2 TG von beiden Seiten an. Unterwegs kommt man an einer anderen Cenote vorbei. Viele, viele Tropfsteine u. andere merkwürdig erscheinende Gesteinsformationen. Die Sicht betrug im schlechtesten Fall 20m, meist jedoch, soweit das Licht reicht!!! Ein Highlight...

6.Tag: Cenote Naharon! Die Höhle stelle man sich in etwa so vor: Es gibt eine Halocline, über der (im Süsswasser) die Höhle rabenschwarz ist, darunter im Salzwasser jedoch weiß. Ziemlich erstaunlich, wie so etwas entstanden ist! Dort machten wir einen Jump in einen tieferen Seitengang, wo ich erstmals 2 Blindfische zu Gesicht bekam. Beim nächsten TG verwickelte Ben einen nach dem anderen in einer Leine. Danach mußte sich jeder selbständig daraus freischneiden u. anschließend das Stück mit seinem Safetyspool reparieren.
Abends fuhren wir nochmal zur Calavera, da dort kein Eintritt bezahlt werden muß, wo wir den großen Circle mit einem Abstecher zu alten Knochen machten. 150m vorīm Ausgang riss Ben mir die Maske vom Gesicht u. ich tauchte an der Leine entlangtastend raus. Ein Flosse stiebitzte er mir dann auch noch 50m vor dem Ausgang.
7.Tag: Escondido! Schöner TG in eine Seitenpassage vorbei an kleiner Cenote in eine am Grund sehr lehmige, flache Passage. Also vorsichtig frog kicken. Heiko wollte kurze Zeit später umkehren und signalisierte das auch. Mein Blick ging sofort auf Ben, da ich schon ahnte, was jetzt kommen würde!
Er machte eine Kehrtwendung u. fabrizierte mit wilden Flossen- u. Handbewegungen einen totalen Siltout(Ich erkannte meine Lampe nur noch, wenn ich sie direkt an die Maske hielt!). Die Lawine kam schnell auf mich zugerollt, verdeckte erst Heiko u. dann den Rest des Ganges vollständig. Also ran an die Leine u. möglichst schnell raus. Nach ca. 50m klarte es wieder auf.

8.Tag: Cenote Tortugas (letzter Ausbildungstg!) Das wurde dann ein "complex navigation dive", wie Ben immer sagte, d.h.: ein Betauchen von Nebenpassagen ein gutes Stück weg vom Hauptgang. Der Eingangspool ähnelt einem Sumpfloch u. liegt mitten im Dschungel. Dort betrug die Sicht kaum mehr als 1-2m. Die Tiefe lag bei 25m, sodaß es auch ein dekopflichtiger Tg werden sollte. Tortugas besitzt einen sehr großen Haupttunnel mit mehreren Nebengängen. Hinter der Engstelle am Eingang wurde die Sicht wieder mal grenzenlos. Tja, und ab da war ich endlich voll zertifizierter Höhlentaucher!!!

Abends machte ich erstmals mit Sebastian allein einen TG in die Cenote Calimba. Und was soll ich sagen? Ein absoluter Traum!!! Stell dir vor, du tauchst im 2. Siphon der Font del Truffe u. alles hängt voller Tropfsteine! Ab u. zu vergößern sich die Passagen zu kleinen Räumen mit wasserfallartigen Absätzen an den Wänden. Die max. Tiefe betrug 12m. Also konnten wir da schon ein gutes Stück mit Doppel-12 hineintauchen.
Am Tag darauf nahmen wir uns erstmal eine Auszeit u. genossen das Klima. Einen Tag später gingīs wieder nach Carwash, wo wir mit Heiko einen Stagedive in den "Room of Tears" machten (der Legende nach brach der erste Taucher, welcher diesen Raum entdeckte, von seiner unglaublichen Schönheit getroffen in Tränen aus!). Von dort über einen Jump weiter nach Dreamland.Wow... Hinter dem Room of Tears gibtīs eine Tannic Acid Zone, in der das Wasser plötzlich rot wird. Die Sicht geht runter auf 6 - 7m. Geisterhaft...

Nachmittags nochmal ein Dive in der Calavera mit Stage etwas weiter hinein. Nach einem weiteren Tauchtag mit Sebastian legen mich meine Ohren 4 Tage lang lahm. War wohl zuviel Taucherei auf einmal. Diese Tage verbrachten wir damit, uns Maya Ruinen ananzuschauen, am Strand abzuhängen(u. das versteh ich unter einem Strand - teilweise 60 - 70m breiter weisser Korallenkalksandstrand mit Palmen u. blaugrünem Wasser...ach) und abends in Stranddiscos bis früh in den Morgen hinein herumzuzappeln. Da um diese Zeit keine Taxis mehr fuhren, blieb uns nichts weiter übrig, als zu Fuß ca. 8km quer durch den Dschungel bis zum Hotel zurückzulaufen.

Der absolute Höhepunkt unseres Trips sollte erst noch kommen:
Seit unserer Ankunft im Dive Center hatte Gunnar uns fast pausenlos damit gelöchert, ein paar Tage in seinem Junglecamp zu verbringen. Vielleicht hat ja der ein oder andere schon mal den Film o. einen Artikel über die Mastodonknochen gesehen?! Dann hat er vielleicht eine gewisse Vorstellung von dem, was ich nun schreibe.
1997 entdeckte Gunnar ein neues Höhlensystem tief im Innern des Landes, wo bis dahin nicht mal Steve Gerrard eins vermutet hätte. Bis heut (2002 sind 11km Gangpassagen vermessen. Potential für über 100km ist vorhanden! Einen Haken hatte die ganze Sache natürlich! Ein Tag im Camp würde 200 Dollar kosten!! Da unser Urlaub sowieso schon nicht ganz billig werden würde, grübelten wir doch sehr lange. Nach einigen Erzählungen von Leuten, die da waren, mußten wir uns aber doch dazu hinreißen.
Donnerstag Morgen gingīs nach dem Frühstück los. Mitgenommen werden mußten nur Wing, Backplate Automaten, Lampen u. Anzug u. Flossen. Der Rest war vor Ort.
Erst 1 1/2h Fahrt mit Gunnarīs Jeep hinein in den Dschungel, dann noch ca. 25min. Fußmarsch über Stock u. Stein durch die Wildnis. Im Camp angekommen, ging uns langsam ein Licht auf, weshalb der Trip so teuer ist. In 3 Wochen hatte Gunnar mit 15 Einheimischen ein Lager errichtet, was seinesgleichen sucht! 3 Palapas für Küche, Equipment u. Schlafraum stehen da, im Eingang der Cenote wurde eine große Plattform installiert, auf der bequem die Geräte angelegt werden können, Kompressor, 2 Stromaggregate, mehrere Doppelpacks, Stages, 3 Oceanic-Scooter u. nicht zu vergessen ein Donnerbalken! Im Camp hält sich ständig ein Einheimischer auf, der auf das ganze Zeug aufpasst.
Nach einer ausreichenden Mittagspause schraubten wir unser Tauchzeug zusammen u. machten uns bereit für den 1 Dive. Spannung lag in der Luft. Das Abtauchen erfolgte durch eine flache, sehr breite Eingangsspalte. Nach 10m öffnet sich der Gang u. wird verdammt geräumig. Jetzt waren wir in einem Tunnel, der über u. über mit Tropfsteinen behangen ist. Schon hier im Eingangsbereich hätte man perfekte UW-Aufnahmen machen können! Die Sicht war unbegrenzt, na ja, soweit unsere Lampen halt leuchten konnten;-)))
Es ging gut 500m den Hauptgang entlang vorbei an unzähligen Abzweigen, die in weitere teils riesige Tunnel führten. Irgendwann bogen wir nach rechts ab u. folgten der Leine weitere 300m bis zu einem Raum, gegen den Dreamland in der Cenote Carwash geradezu lächerlich wirkt. Ich kannīs nicht richtig in Worte fassen. Man muß es selbst erlebt haben! Einfach unbeschreiblich schön!!! Und alles total unberührt... Nach 90min. tauchten wir völlig sprachlos wieder auf. Ich brauchte īne Weile, das eben Gesehene ansatzweise zu verarbeiten.
Abendessen u. eine Flasche Wein (4Liter) folgten auf dem Fuße. Gegen 2Uhr in der Früh fielen wir erschöpft in unsere Hängematten.Die Nacht im Dschungel war auch ein Erlebnis! Wenn es dunkel wird, beginnt der Wald zu leben. Von überall her dringen Geräusche an dein Ohr...
Am Freitag dauerte es ein ganzes Weilchen, aus der Hängematte zu kommen. Ich trinke nie wieder Alcohol;-)))) Nach einem guten Frühstück liefīs dann schon etwas besser.
Es ging zum 2. Mal inīs Wasser. Ziel dieses Tgīs sollten die Mastodonknochen sein. Diese liegen 800m entfernt vom Eingang in einer Nebenpassage. Nun, Nebenpassage ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn der Gang hatte noch größere Ausmaße als der eigentliche Hauptgang. An einigen Stellen konnten wir kaum die gegenüberliegende Wand erkennen, und das, obwohl das Wasser kristallklar war. Vielleicht wäre ein U-Boot sinnvoller gewesen?!;-))) Die gesamte Passage entlang säumten wiederum Tropfsteinformationen aller Größen, Farben u. Formen unsern Weg. Nach gut 40min. relaxten Flösselns erreichten wir den Ort, über den ich bisher nur gelesen hatte. Gunnar zeigte uns zuerst die 2 größten Knochen. Sie sind etwa 50cm lang u. liegen wie auf ein Portal gebettet zum Anschauen bereit. Gut 15m weiter finden sich weitere Knochen. In einer Senke liegt auch ein Schädel eines alten Raubtieres. Leider hatten wir nur gut 5min. Zeit, uns die Sachen anzuschauen, dann war unser Atemgas - Drittel aufgebraucht und es ging wieder Richtung Tageslicht.
Ein weiterer Wahnsinnstauchgang, in dem nicht einmal die Knochenfunde das Interessanteste waren. Vielmehr beeindruckte mich immer mehr die Größe dieses Systems!
Ausgedehntes Mittagsmahl, bevor es dann am frühen Abend zum letzten Mal inīs Wasser ging. Bewaffnet mit Oceanic-Scootern u. einer Stage jagten wir uns gegenseitig die riesigen Gänge entlang in Richtung einer Cenote mit Namen Coj. Kurz davor wurden Scooter u. Stage abgelegt, denn die folgende Passage mußte man sich in aller Ruhe ansehen.
Es begann mit riesigen Wurzelvorhängen an einer kleinen Cenote, die bereits die Hauptleine einwucherten, sodaß wir im Zickzack schwimmen mußten. Der Boden war mit dunklen Schichten bedeckt u. alle paar Meter standen schneeweiße Säulen, die man mit 3 Tauchern nicht hätte umfassen können. Ein surreales Bild!!!
Kurz vor der Cenote Coj machten wir die Lampen aus u. genossen das Bild, daß sich uns nun bot. Dem Ausgang entgegen wurde ich den Eindruck nicht los, im überdimensional riesigen Maul eines Raubtieres zu sein. Große Tropfsteine hängen in einer (Zahn)-Reihe von der Decke. Kurzes Auftauchen im tiefsten Dschungel.
In einem kleinen Nebengang schauten wir uns dann noch Reste eines Krokodils oder Kaimans an, der sich wohl mal verschwommen haben muß. Ooops... Dann gingīs schon wieder zurück. Kurz vor unseren Scootern machte Gunnar einen neuen Schädelfund mit einem 7 - 8cm großen Reisszahn. Was da an Knochen rumliegt, ist wirklich unglaublich...
Zurück gingīs dann wieder in etwas schnellerem Tempo. Aufgrund des flachen Profils des Höhlensystems (max. -14m) dauerte der letzte Tg wiederum gut 1 1/2h, bevor wir leider aus dem Wasser mußten. Kurz darauf mußten hieß es auch schon Abschied nehmen. Das Material wurde zügig zusammengepackt, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück am Jeep zu sein. Unterwegs zeigte Gunnar uns noch eine bis dato unbetauchte Cenote direkt am provisorisch in den Dschungel geschlagenen Wegesrand mit einer hineinführenden Mayatreppe. Was da wohl drinliegt?? Neid...
Ich kann ehrlich sagen, schon nach dem ersten TG kein Mitleid mehr mit meinem Konto gehabt zu haben, denn was ich da erlebt hab, schlägt wirklich alles bisher Gesehene (und das war nicht wenig!)!!! Es ist kein bischen übertrieben, wenn ich schreibe, im Camp mit die besten Tauchgänge meines bisherigen Lebens gemacht zu haben!!!



Samstag u. Sonntag relaxten wir noch ein wenig in der mex. Sonne oder beschäftigten uns mit Sachen packen, denn am Montag ging unser Flieger back to Germany.


Saludos, Stefan.
(Reihenfolge von r. n. l.): Gunnarīs Ehefrau Lina, Gunnar, Sebastian, meine Wenigkeit)